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Eröffnung Wanderausstellung "Das deutsche Wolgagebiet"

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"Das deutsche Wolgagebiet" - Vernissage im Dresdner Rathaus vom 03.12.2019

Der Internationale Verband der deutschen Kultur (IVDK), die Moskauer Deutsche Zeitung und das Deutsch-Russische Kulturinstitut e.V. veranstalteten im Neuen Rathauses in der Goldenen Pforte am 3. Dezember um 18 Uhr die Vernissage zur Wanderausstellung „Das deutsche Wolgagebiet. Eine unvollendete Fotogeschichte“. Die Ausstellung wird bis zum 15. Januar 2020 zu Gast im Neuen Rathaus in Dresden sein.

Es war mir eine besondere Ehre, die Ausstellung mit der folgenden Rede zu eröffnen und die zahlreichen Gäste herzlich willkommen zu heißen.

"Die Wolga, sie ist den Russen lieb und heilig, denn ihr Schicksal ist eng mit dem Fluss verbunden. An der Wolga, in der Nähe der Stadt Kasan, besiegte Igor der Schreckliche die Mongolen. Über die Wolga erreichten die Wikinger das Kaspische Meer. Im 15. Jahrhundert fuhr der Kaufmann Afanassi Nikitin auf ihr über das Kaspische Meer nach Indien und erschloss dabei einen neuen Handelsweg nach Asien. In Wolgograd, dem ehemaligen Zarizyn, das von 1925 bis 1961 Stalingrad hieß, tobte 1942 bis 1943 fast einhundert Tage lang eine der größten und erbittertsten Schlachten der Geschichte. In Kasan lebten Tolstoi und Puschkin. Maxim Gorki schob als Bäckerjunge Brötchen ins Feuer, und der Jurastudent Lenin flog von der Universität.

"Mütterchen", "Königin" und "Du Schöne" nennen die Russen ihre Wolga! Zärtliche Ausdrücke für einen der mächtigsten Flüsse Europas mit 3.500 Kilometern Länge. Die Wolga ist eine der wichtigsten Lebensadern des russischen Riesenreiches, wird in Liedern besungen und in Gedichten verehrt. Sie gilt als Sinnbild der berühmten russischen Seele.

Hier also beginnt die Geschichte der Wolga- oder auch Russlanddeutschen. Vor 250 Jahren unterschrieb Russlands Zarin Katharina die Große das "Einladungsmanifest": ein Aufruf, dass mehr Siedler ins Land kommen sollten. Zehntausende deutsche vorwiegend Handwerker und Bauern machten sich auf den langen, manches Mal 1 ganzes Jahr dauernden Weg über das Meer bis zur Steppe an der Wolga. Die Schönheit der Landschaft stand von Beginn in Kontrast zu den Herausforderungen, denen die Menschen gegenüberstanden. Ihr Leben fand im Spannungsfeld zwischen der Auseinandersetzung mit den vor Ort lebenden Nomaden, der Unterdrückung durch die Volksarmee und elenden Hungersnöten statt und doch meisterten die Wolgadeutschen ihre Existenz in den deutschen Dörfern. Sie zeichneten sich mit einer hohen landwirtschaftlichen Leistungsbereitschaft aus. In der späteren „Wolgadeutschen Republik“ entstand zum Beispiel der erste sowjetische Traktor! Ihre Stärke für sich ausnutzend, zwang Stalin alle wolgadeutschen Großbauern in die Kollektivierung. Nach dem Angriff der Wehrmacht auf die Sowjetunion im Juni 1941 ordnete er zudem mit einem Erlass des Obersten Sowjets der UdSSR die Deportation der Wolgadeutschen nach Zentralasien an. Viele starben an Krankheit und Hunger beim Transport oder in Lagern. Vor allem in Kasachstan entstanden wolgadeutsche Dörfer. Nach dem Tod Stalins und der Aufhebung der Kommandantur zogen viele Deutsche aus den kalten Regionen Sibiriens und des hohen Nordens in wärmere Gebiete Mittelasiens und Kasachstans.

Doch erst der Zerfall der Sowjetunion brachte eine neue Wende in der Geschichte der Russlanddeutschen. Bis heute sind Millionen deutschstämmige Menschen aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion in die Bundesrepublik eingewandert.

Seit Mitte der 80er-Jahre haben sich mehr als zwei Millionen russische Aussiedler in Deutschland integriert. Seit ebenso langer Zeit steht die Frage nach der eigenen, komplexen „Identität“ und die Sehnsucht und Rückbesinnung auf die russischen Wurzeln im Zentrum des Diskurses, wenn es um den eigenen Begriff von „Heimat“ geht.

Die Aufarbeitung der von mir hier kurz umrissenen, sehr bewegten Vergangenheit der Wolgadeutschen findet vielfältig statt. Heute nun darf ich Sie herzlich willkommen heißen zur Eröffnung einer herausragenden Ausstellung zur Geschichte des deutschen Wolgagebietes in dem Räumlichkeiten des Dresdner Rathauses.

Die Auswahl von 50 Fotografien aus insgesamt 130 einmaligen historischen Aufnahmen, welche für die Ausstellung erstmals digitalisiert wurden, vermitteln uns einen Eindruck vom täglichen Leben der Deutschen an der Wolga. Sechs staatliche Archive und Museen in Russland und Deutschland beteiligten sich an der Konzeption der Ausstellung anlässlich des 100. Jahrestages der Gründung der Wolgadeutschen Autonomie.

In unserer Landeshauptstadt wird uns die Ausstellung zudem durch die Unterstützung des Bundesprogramms Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und das Deutsch-Russische Kulturinstitut e.V. mit ermöglicht.

Allen Mitwirkenden danke ich recht herzlich und wünsche ich Ihnen, liebe Besucherinnen und Besucher, viel Freude mit den sorgsam zusammengestellten Zeitzeugnissen!

Allen Literaturinteressierten empfehle ich zusätzlich gern die Veranstaltungsreihe des Deutsch-Russischen Kulturinstitutes mit der Zentralbibliothek hier in Dresden. Am 11. Januar stellt die erfolgreiche Schriftstellerin und Filmemacherin Gusel Jachina ihren aktuellen Roman Wolgakinder nun auch in russicher Sprache dem breiten Publikum im Deutsch-Russischen Kulturinstitut eV. vor."

Herzlichen Dank